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Nordisch Gesund - Gegen den Schmerz

Möglichkeiten der Schmerzvermeidung vor und nach Operationen

VON ANNETTE SYMANCZYK
sh:z - Schleswig-Holstein Journal vom 22. Februar 2014

Wer kurz vor einer Operation steht, hofft auf einen guten Verlauf und auf wenig Schmerzen. In der Realität sieht das oft völlig anders aus. Es gibt Untersuchungen, wonach Patienten bis zu zwei oder mehr Stunden auf ein Schmerzmittel warten mussten. Die Ursache liegt meist an einer fehlenden Arbeitsanweisung oder an einer mangelnden Ausbildung des Behandelnden. Grundsätzlich sind die medizinischen Möglichkeiten heute so vielfältig, dass kein oder nur sehr wenig Schmerz ausgehalten werden muss.

Basistherapie

Um postoperative Schmerzen so gering wie möglich zu halten, wird in vielen Krankenhäusern bereits am Morgen des Operationstages mit Schmerzmitteln begonnen. Nach derOperation erfolgt die Medikantengabe nach einem Stufenplan. Für leichte bis mittlere Schmerzen werden Wirkstoffe wie Ibuprofen, Paracetamol oder Metamizol verwendet. Ist diese Basistherapie nicht ausreichend, kommen stärkere Mittel wie Opioide zum Einsatz. Bei größeren Eingriffen sind diese morphinhaltigen Medikamente ein wichtiger Bestandteil der Schmerztherapie. Oft wird bei großen Bauch oder Brustkorboperationen auch ein rückenmarksnaher, sogenannter Periduralkatheter gelegt. Dadurch können die schmerzleitenden Nervenfasern für einige Zeit ausgeschaltet werden. Bei nachlassender Wirkung kann über den Katheter jederzeit Schmerzmittel gegeben werden. Im Gegensatz zu Tabletten, Zäpfchen oder Spritzen, die ihre Wirkung im gesamten Körper entfalten, hat man hier nur einen lokal begrenzten Effekt. So können über längere Zeit Schmerzmittel verabreicht werden, ohne den Patienten sehr zu belasten. Je nach betroffener Körperregion ist es sogar möglich, mit dem Katheder aufzustehen und kleinere Gänge in der Klinik zu unternehmen.

Selbstständige Patienten

Sehr wirkungsvoll, etwa nach Knie- oder Hüftoperationen, ist die patientenkontrollierte Schmerzbehandlung (PCA). Hier erhalten die Betroffenen Schmerzmittel über ein Blutgefäß und sind in der Lage, sich die Medikamente selbst per Knopfdruck über ein Pumpensystem zuzuführen. Innerhalb einer programmierten Maximaldosierung kann der Patient in Eigenverantwortung das Maß seiner Schmerzmittel selbst dosieren und damit die Angst vor möglichen unerträglichen Schmerzen verlieren.

Maßstäbe der Schmerzvermeidung

Erfahrungsgemäß treten in den ersten drei Tagen nach einem Eingriff die stärksten Wundschmerzen auf. „Am sinnvollsten ist es, den Schmerz nur da zu bekämpfen, wo er den Patienten quält,“ stellt Dr. Wolfgang Michelsen, Chefanästhesist des Sankt Elisabeth Krankenhauses Kiel fest. Deshalb hat das Ärzteteam eine regionale Behandlungstechnik weiterentwickelt und setzt damit Maßstäbe in Schleswig- Holstein. Dabei kommt es zu keinen oder sehr geringen postoperativen Schmerzen und durch eine geringere Medikamentendosis werden die Patienten deutlich weniger belastet als üblich.

Schon vor der Operation wird schmerzfrei im Dämmerschlaf oder in Narkose ein bleistiftminendünner Plastikschlauch in die Nähe der schmerzleitenden Nerven gelegt, die vom Operationsschmerz betroffen sind. Mit Hilfe eines Ultraschallgerätes oder eines Nervenstimulators können diese Nerven stets zielsicher aufgefunden werden. Zum Einsatz kommen dann keine herkömmlichen Schmerzmittel, sondern nahezu nebenwirkungsfreie Lokalanästhetika, die eine regionale Blockierung der Schmerzleitung herbeiführen. Über diesen Katheter können dann bei auftretenden Schmerzen alle 6 bis 8 Stunden erneut lokale Betäubungsmittel an den Nerven gespritzt werden. „Die Vorteile dieser Methode sind vielfältig. Wir benötigen signifikant weniger Medikamente zur Aufrechterhaltung der Vollnarkose und die Patienten fühlen sich postoperativ deutlich besser. Dies kann besonders für ältere Patienten mit Kreislaufproblemen oder anderen Begleiterkrankungen wichtig sein.

Krankengymnastik und Mobilität des Patienten sind früher möglich und eine schmerzfrei durchgeführte Physiotherapie erlangt eine größere Bewegungsfreiheit. Streck- oder Beugedefizite nach endoprothetischen Operationen sehen wir kaum. Zudem können die Patienten die Klinik oft früher verlassen“, zählt Michelsen auf. 1300 Schmerzkatheter haben die Ärzte aus Kiel imletzten Jahr gelegt. Nahezu alle größeren orthopädischen Operationen können mit dieser Methode begleitet werden. Jeden Tag werden die Einstichstelle und die Katheter kontrolliert, damit es trotz vorgeschaltetem Bakterienfilter zu keiner Infektion kommt. Je nach Schmerzlage der frisch Operierten wird die Medikamentengabe angepasst. Nach beendeter Behandlung ist das Entfernen des dünnen Katheters schmerzfrei für den Patienten. „Dieser Zeitaufwand zahlt sich aus und eine große Patientenzufriedenheit bestätigt uns in unserem Vorgehen. Bei der postoperativen Visite sehe ich lieber einen entspannten, zeitungslesenden Patienten und schaue ungern in ein schmerzverzerrtes Gesicht“, berichtet Michelsen.

Nebenwirkungen

Besonders Opioide können zu starken Nebenwirkungen führen. Etwa 20 Prozent aller Patienten klagen über Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung. Diese Symptome können mit Medikamenten gut eingedämmt werden. „Da bei der begleitenden regionalen Schmerztherapie deutlich weniger Medikamente benötigt werden, sind auch die Nebenwirkungen deutlich geringer. Viele unserer Patienten rechnen nach der Narkose mit Übelkeit und freuen sich, wenn sie ausbleibt“, resümiert Michelsen.

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